Nationalpark Schwarzwald – Wildtiermanagement und Prozessschutz

Neben dem Verkehrskonzept und dem Borkenkäfermanagement ist das Wildtiermanagement sicher eines der wichtigsten Module im Nationalpark Schwarzwald.

Schon seit dem ersten Jahr des Nationalparks 2014 bis zum Jahr 2018 wird an den Rahmenbedingungen gearbeitet, so erläuterten Nationalparkmitarbeiter ihre Ideen zum Konzept in mehr als 100 Vorträgen, Führungen, Exkursionen, Seminaren und Workshops, vor allem für Vertreterinnen und Vertreter aus der skeptischen Jägerschaft und Forstwirtschaft, sie galt es zu überzeugen.

Alle Beteiligten wurden angehört

In diesem mehrjährigen Prozess wurden so alle Beteiligten, darunter die betroffenen Anrainer, Jagdverbände, Natur- und Tierschutzverbände, Tourismus und Gemeinden, an einen Tisch gebracht und ein Modul erarbeitet, das für alle Beteiligten tragbar sein soll.  
Die letzte Phase der Beteiligung hat mit der Freigabe durch den Nationalparkrat am 14. Mai 2018 begonnen. Bis zum 15. Juli ist es noch möglich sich auf der Beteiligungs-Plattform zu informieren und Fragen zu stellen. Im Oktober 2018 soll dann endgültig über die Verfahrensweise entschieden werden.

Das Modul Wildtiermanagement wird vorgestellt

Auch uns ist es wichtig, so haben wir mit Spannung auf das fertig erarbeitete Konzept gewartet.  Am 13. Juni gab es im Löwen in Baden-Baden Lichtental auch über das Wildtiermanagement einen Vortrag.

Bei einer Führung im Waldgebiet Herrenwies mit Gebietsleiter Bernd Schindler und Wildtiermanager Friedrich Burghardt am 22. Juni 2018 haben wir mit rund 20 weiteren Interessierten weitere Informationen zum Modul Wildtiermanagement erhalten.

Es folgt ein nicht vollständiger Überblick der Informationen, die wir über das Modul Wildtiermanagement und den Prozessschutz im Nationalpark Schwarzwald erhalten haben.

Warum war es nötig ein Modul Wildtiermanagement zu erarbeiten?

Jagen im Schwarzwald kann einen Veganer oder Vegetarier schnell mal zur „Weißglut“ bringen, die Jagd im Nationalpark Schwarzwald ist aber auch für viele „normale“ Menschen unverständlich, dazu muss man kein ausgewiesener Tierschützer sein. Schon vor Eröffnung des Nationalparks im Jahr 2014 war das Jagen im Nationalpark Schwarzwald eines der am meisten diskutierten Themen.
Eigentlich sollte doch in einem Nationalpark die Jagd vollständig eingestellt sein. Doch wie ist das im Nationalpark Schwarzwald, da stehen sich Prozessschutz und Wildtiermanagement im Widerspruch. Wildtiermanager Friedrich Burghardt wäre ein jagdfreier Nationalpark am liebsten. Doch man muss den durchaus berechtigten Sorgen der Anrainer durch Schäden einer zu großen Population von Wildtieren im Wirtschaftswald so weit als möglich entgegenkommen.
Und wie wird nun im Nationalpark mit den großen Säugetieren Hirsch Reh und Wildschwein umgegangen? Wird man dem Nationalpark Leitfaden „Natur Natur sein lassen“ gerecht und wahrt dabei gleichzeitig die Interessen der an den Nationalpark angrenzenden Waldbesitzer? Befürchten diese doch große Schäden in ihren Wirtschaftswäldern, wenn sich die Wildtiere ohne Einschränkung vermehren.

Da kann man schon mal vorweg mitteilen, Hauptverursacher der Fraßschäden ist das Rotwild, das auch die Wildtierart ist, die im Park gejagt wird.

Was versteht man im Nationalpark unter Prozessschutz

Ziel des Nationalparkplans ist es, „Natur Natur sein lassen“. Das bedeutet, der Mensch greift nicht ein, um das Waldbild zu verschönern, vielmehr soll sich die Pflanzen- und Tierwelt frei entwickeln. Im Nationalpark selbst gibt es keine Fraßschäden durch Wild, weder durch das Großwild noch durch den Borkenkäfer. Die Tiere und Pflanzen bestimmen wo es langgeht und wie der Park sich entwickelt.

Die Bedenken eines Teilnehmers, der das Beispiel des Borkenkäfers im Bayrischen Wald, wo ganze Landschaften zerstört wurden, nannte, konnte zerstreut werden.

alte Tanne Wilder SeeIm  Nationalpark Bayrischer Wald dominierte zum Zeitpunkt der Borkenkäferplage die Fichte, die zudem meist gleichzeitig gepflanzt wurde, so waren es ältere Bäume gleichen Alters, die  einen für den Borkenkäfer angreifbaren Baumdurchmesser besaßen. In der Kernzone des Nationalpark Schwarzwald ist das anders, es stehen neben Fichten unterschiedlichen Alters viele Laubbäume und Tannen. Hier gibt es Bereiche die schon seit vielen Jahren nicht mehr bewirtschaftet werden, siehe hier auch den Bannwald Wilder See, der schon seit 1911 Naturschutzgebiet ist. Und mal ehrlich, es gibt nichts Langweiligeres als durch einen reinen Wirtschaftswald zu laufen, wir lieben die Bereiche die alle Generationen eines Waldes zeigen, dazu gehören neben Bäumen verschiedener Art und Alter auch abgestorbene noch stehende und liegende Bäume dazu, schon deswegen da das Artenreichtum hier viel größer ist.

Aber zurück zu den Tieren, der Prozessschutz gilt natürlich auch für unsere großen Wildtiere. Eine möglichst große Fläche soll in den nächsten Jahren und Jahrzehnten für Hirsche, Rehe und Wildschweine zur jagdfreien Zone werden. Dass jagdfrei nicht nur für das Großwild gilt, sondern auch für kleine Wildtiere, wie zum Beispiel den Borkenkäfer ist selbstverständlich, dazu später mehr im Artikel Borkenkäfermanagement.

Da es sich aber beim Nationalpark Schwarzwald um einen Entwicklungsnationalpark handelt, geschieht die Vorgehensweise in mehreren Teilschritten um den Ansprüchen der angrenzenden Waldbesitzer, genannt Anrainer, gerecht zu werden.



Bedenken der Anrainer

Der gewünschte Prozessschutz im Nationalpark tangiert also auch die umliegenden Anrainer, das sind vorwiegend die Waldbesitzer der angrenzenden Wirtschaftswälder des Nationalparks. Hierzu zählen z.B. die Murgschifferschaft, Hundsbach, Baden-Baden. Befürchten diese doch bei einer ausgesetzten Jagd eine übermäßige Wildtierpopulation, die dann aus dem Nationalpark Schwarzwald in Ihre Waldgebiete abwandern und Wildschäden verursachen.
Durch abgeknabberte Triebe kann der Baum keinen geraden Stamm mehr entwickeln, die Tiere gehen aber auch an die Rinde. Durch das Rindenschälen geraten bei dem häufigsten Baum im Wirtschaftswald, der Fichte innerhalb weniger Stunden Pilzsporen in den Baum.  Die Sporen erzeugen die Rotfäule, dabei wird der Ligninanteil des Holzes zerstört, das Fichtenholz verliert seine Festigkeit.
Wer nun weiß, dass eine Fichte im gesunden Zustand ca. 90 EUR je Festmeter bringt, eine von der Rotfäule befallene nur ca. 30 EUR je Festmeter, kann die Sorgen der Waldbesitzer sicher verstehen.
Neben den großen Tieren, die für Waldschäden sorgen, gibt es noch ein weiteres Tier das zu enormen Schäden im Wirtschaftswald führt, den Borkenkäfer. Der Befürchtung, dass der Borkenkäfer auf den Wirtschaftswald der Anrainer übergreift , wurde bereits 2014 durch die Schaffung eines 500 m breiten Schutzstreifens, in dem der Borkenkäfer bekämpft wird, entgegengewirkt.       
                                                                                                                                                                                                                                                            
Wildtiermanagement

Wildtiere machen im Nationalpark wie er heute besteht für einige Zeit noch ein lenkendes Eingreifen des Menschen notwendig. Betroffen sind hierbei Hirsch, Reh, Wildschwein sowie, sofern einwandernd, Luchs und Wolf, bei denen jedoch ein intensives Beobachten und Dokumentieren im Vordergrund steht.
Wie das Beobachten und Dokumentieren und die notwendige Jagt abläuft.

Ausrüstung für Monitoring und WildbeobachtungMonitoring – Wildbeobachtung

Es wird erforscht „Was geschieht, wenn nichts mehr geschieht“?“ Denn wie verändern sich die Bestände der großen Wildtiere, wenn Rothirsch, Reh und Wildschwein nicht mehr gejagt werden? Wie werden sich die Tiere verhalten, und wie entwickelt sich dann die Pflanzenwelt. Es werden Spuren und Fährten ausgewertet, die hinterlassene Losung der Wildtiere wird genetisch analysiert und die Satellitentelemetrie kommt zum Einsatz. Beinahe 30 Tiere des Rotwilds haben ein Halsbandsender erhalten, der ihr Bewegungsprofil aufzeichnet.
Um die Sender den Tieren umzulegen, werden diese betäubt. Damit diese funktionsfähig sind, erhalten die Wildtiere im Aufwachstadion einen Magneten, den Sie mit Wasser und den ersten Schluckreflexen schlucken. Dieser stört das Tier nicht, er verbleibt bis zu deren Tod im Magen. Anders verläuft es mit dem Halsband, ist die Studie an einem Rotwildtier beendet, wird das Halsband computergesteuert geöffnet.
So erfährt das Forscherteam viel über das Verhalten der Tiere im Nationalpark, wohin sie sich bewegen, ob Sie Straßen überschreiten und wie weit Sie den Menschen in ihre Nähe lassen.
Angebrachte Fotofallen im Nationalparkgebiet geben Aufschluss über die Aktivität der Wildtiere tagsüber und welche Pflanzen bevorzugt gefressen werden.

mobile Hochsitze im NationalparkDie Jagd im Nationalpark Schwarzwald

Ab 2020 soll auf 1/3, ca. 30 % (etwa 3000 ha) der Nationalparkfläche die Jagd eingestellt werden. In der jagdfreien Fläche sind große Teile der heutigen Kernzone, sowie Grindeflächen, Naturerlebnisbereiche und Wildbeobachtungsbereiche enthalten. Auf 2/3 (etwa 7000 ha) wird auf Rücksichtnahme der Anrainer weiterhin intensiv gejagt.
Bis zum Jahr 2044 sollen 75 % der Nationalparkfläche jagdfrei werden, der Mensch soll im Schutzgebiet wenn möglich nicht mehr eingreifen, so der Wunsch des Nationalparks.
Im Gegensatz zu den Waldgebieten der Anrainer, wo es viele Jagdpächter gibt, erfolgt die Jagd im Nationalpark in Eigenregie oder mit ausgesuchten Jägern der Umgebung.

Kletterhochsitz im Nationalpark SchwarzwaldZuerst werden die Jagdzeiten im Nationalpark Schwarzwald bei gleicher Abschussquote reduziert

-    Jagen nur von August bis Ende Dezember
-    Von Januar bis Juli findet keine Jagd statt, damit die Hirschkühe ungestört ihre Kälber aufziehen können
-    Damit die Tiere in der Nacht nicht gestört werden, sind Nachtjagden verboten

Wichtig für die Säugetiere im Nationalpark sind Rückzugsorte. Ruhezonen, die für den Menschen nicht einsehbar sind. Deshalb gilt auch ein Wegegebot, an den sich wirklich jeder Wanderer, Spaziergänger und Radfahrer halten sollte. Ruhezonen sind wichtige Orte, damit die Wildtiere lernen sich sicher zu fühlen.
Wichtig für Besucher, nur ausgeschilderte Wege, als Wanderzeichen wie z.B. die des Seensteig oder Westweg, aber auch die gelbe oder blaue Raute oder Hinweisschilder zeigen begehbare Wege. Alle Wege und Pfade ohne diese Zeichen dürfen nach dem neuen Wegerecht nicht mehr begangen oder befahren werden.
Um das Wild im Nationalpark an bestimmte Zonen anzulocken und zu gewöhnen und den Jagdbestand zu regulieren werden im Nationalpark Lichtungen geschaffen, die uns gezeigte wird zu Versuchszwecken dreimal im Jahr nur teilweise gemäht. So entstehen in den Bereichen mit hohem Gras Flächen, die den Wildtieren als Deckung dienen.  
Von einem fest stehenden Hochsitz wird von zwei sehr erfahrenen Jägern versucht, Muttertier und Kalb gleichzeitig zu erlegen. Hintergrund für diese Vorgehensweise ist, dass die Tiere negative Erfahrungen vererben können. So wird die Generation unterbrochen und keine schlechten Erfahrungen von Mutter oder Kalb an die Abkömmlinge tradiert.
Es gibt im Nationalpark Schwarzwald auch leichte mobile Hochsitze, die an wechselnden Standorten zusammengebaut zum Einsatz kommen. Ebenso gibt es nur wenige Kilogramm schwere Kletterhochsitze, deren Vorteil ist neben ihrer Mobilität, dass sie von den Wildtieren nicht erkennbar sind.

im Nationalpark SchwarzwaldNeue Lebensräume entstehen

Ganz vergessen möchten wir aber auch nicht die positiven Folgen dieser „Frassschäden“ durch das Wild. Flächen mit niederem Bewuchs wie Heidelbeeren zwischen lichten Laub- und Nadelbäumen bieten dem Rotwild optimalen Deckungsschutz. Orkan Lothar hat 1999 offene Flächen geschaffen, die es erlauben, eine lichte Mischung aus Buchen und Nadelbäumen zwischen Totholz, Heidelbeeren und Heiden heranwachsen zu lassen. Selbst die lichtliebende Weißtanne erhält die Chance aus ihrem Schlaf in der Dunkelheit zu erwachen.                                 
Aus abgestorbenen Bäumen erwacht neues Leben. Pilze wachsen heran. Wasserinsekten finden in aufgewühltem und gesuhlten Boden neuen Lebensraum oder es entstehen Laichplätze für verschiedene Libellenarten. Verbissene Bäume wachsen dicht und buschig heran und bieten Nistplätze für viele Vögel. Beim Äsen nehmen die Wildtiere reife Pflanzsamen auf, tragen diese bis zur Ausscheidung an andere Orte. Bei Futterknappheit im Winter schält das Rotwild gerne die Rinde an den Bäumen. Ideal für Spechte, die durch das Klopfen Höhlen für darauf angewiesene Nachmieter schaffen.

Wer jetzt mehr Infos zu dem Modul lesen möchte, ausführliche Informationen finden Sie hier zum Nachlesen.

 

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