Zwischen Himmel und Erde: das Paradies Google Maps
Ein verwunschener Ort der Glückseligkeit - so stellen sich die meisten Menschen wohl das Paradies vor. Wer im Sommer vom höchsten Punkt der gleichnamigen Wasserterrassen in Baden-Baden Richtung Berge und Kirche blickt, wird vielleicht solche Gefühle in sich aufsteigen fühlen. Die Dächer einiger dieser Baden-Badener Villen spitzen über die grünen Blattwerke der umgebenden Bäume und Sträucher, deren Farbenspiel sich in den grün bewaldeten Hügeln auf der gegenüberliegenden Seite fortsetzt. Dazwischen schmiegt sich die Stiftskirche mit ihren gotischen Fenstern und dem schlanken Turm samt dem Neuen Schloss und einigen Häusern malerisch in die Senke.
Wie überall, wo das Auge weit schweifen kann, überkommt den Betrachter auch hier das Gefühl, frei atmen zu können. Das leise Plätschern des Wasserspiels über die Terrassen hinab kühlt die Luft und erhöht die Wirkung, sich an einem ganz besonderen Platz zu befinden. Wer beim Hinabsteigen noch einmal die Augen die Stufen und Becken hinaufgleiten lässt, betrachtet eine Kulisse, wie man sie aus Märchen oder Mythen kennt: Eine Brunnengrotte mit romantischen Arkaden wirkt als optischer Ursprung der anmutigen Wasserläufe und bildet durch Größe und Lage zugleich den Beginn dieser unvergleichlichen Anlage. Von dieser sanftbraunen Grenze schweift der Blick ganz von selbst wieder hinab ins Tal und zum gegenüberliegenden Friesenberg.
Schöner Wohnen in unmittelbarer Nachbarschaft zum Paradies
Friedrichshöhe nennt sich das schöne Villengebiet rund um das Paradies. Das Ganze ist Teil des Annabergs, der seinerseits im Schatten des Baden-Badener Hausberges Merkur im Osten der Stadt liegt. Hier bauten sich die reichen Bürger ihre traumhaften Wohnstätten, denn bis zum Abend lässt sich auf dieser Höhe die Sonne genießen.
In dieser schönen Umgebung mit den flankierenden, gleichmäßig angeordneten Villen reichen die Wasserterrassen über drei Straßenzüge mit insgesamt über 100 Meter Länge hinweg und bewältigen dabei 40 Meter Höhenunterschied. Wer die berühmten italienischen Renaissancegärten kennt und schätzt, wird sich hier wie zu Hause fühlen. Kaskadenförmige Wasserspiele, Grotten, breite, aber flache Treppen, viel Grün und ein verwunschen anmutendes Ambiente gehören neben Säulen und Sitzbänken zu dieser außergewöhnlichen Gartenanlage.
Von dem großen Brunnenbecken vor der Grotte ergießt sich das Wasser zunächst in ein weiteres größeres Becken mit Springbrunnen, um anschließend in treppenartig untereinander angeordnete Bassins gleicher Größe zu fließen, deren Kaskaden an Krebsschwänze erinnern. Die steinerne Ummauerung ist anmutig gewunden, teils arabeskenartig gestaltet. Begleitet wird die Anlage des Baden-Badener Paradies rechts und links von niedrigem Grün, dessen Außenseite ebenso die Treppenstufen erreicht, auf denen der Besucher dem sanften Plätschern folgen kann. Begrenzt wird sie zudem über die ganze Länge von Säulen-Eichen und Hecken. Außerdem finden sich an den beiden Seiten zwei sprudelnde Wandbrunnen. An der Markgrafenstraße beginnend, kommt sie schließlich nach ihrem Weg über Zeppelin- und Prinz-Weimar-Straße in der Bernhardstraße mit drei schönen, halbrunden Schalen in nach unten zunehmender Größe zum Abschluss.
Wie alles begann ...
Bereits vor mehr als 100 Jahren, 1902, wurde das Gelände des heutigen Wasserspiels zur Bebauung freigegeben. Der Friedrichspark, wie er genannt wurde, sollte zum fünfzigjährigen Regierungsjubiläum von Großherzog Friedrich I. auf Betreiben des damaligen Bürgermeisters Reinhard Fieser entstehen, doch beendete der Erste Weltkrieg schon bald alle Planspiele für diese neue Parkanlage in Baden-Baden.
Der Architekt und vielseitige Künstler Professor Max Laeuger, der zu dieser Zeit in der berühmten Karlsruher Majolika wirkte, konnte für das Projekt gewonnen werden und arbeitete ab 1921 an dem europaweit wohl einzigartigen Projekt, das vier Jahre später verwirklicht werden konnte. Ganz im Stil der bereits erwähnten italienischen Renaissancegärten sollte hier ein Ort der Erholung und des Wohnens in attraktiver Umgebung entstehen: schöner wohnen bereits in den zwanziger Jahren. Finanzielle Engpässe gab es aber auch damals schon und so wurde beispielsweise statt des sanften Tuffsteins Beton verwendet.
War die heutige Villenstadt noch um 1900 ursprünglich als Gartenstadt geplant, in der eine neue Lebensform nach den sozialreformerischen Ideen von Ebenezer Howard entstehen sollte, so kristallisierte sie sich mit den Bauplänen von Laeuger bald zu einer der vornehmsten Wohngegenden Baden-Badens heraus. Die berühmte "Sommerhauptstadt Europas" fand ihr Prädikat hier als sichtbare Wahrheit wieder.
Heute nähert sich die Anlage des Baden-Badener Paradies ihrem 100. Geburtstag und der Zahn der Zeit nagte jahrzehntelang gehörig an ihr. Lange Zeit nach dem Krieg, in der Aufbauzeit der fünfziger und sechziger Jahre, verlor die Anlage ihre Bedeutung und wurde daher auch nicht mehr gepflegt. Sie zerfiel zunehmend und war schließlich so verwittert, dass in den achtziger Jahren sogar Pläne zu ihrem Abriss entworfen wurden. An der Stelle des Traumparadieses sollten neue Wohnhäuser entstehen - glücklicherweise konnte die Vernichtung dieses Schmuckstücks jedoch durch die Initiative engagierter Bürger verhindert werden. Nicht zuletzt die Landesgartenschau in Baden-Baden im Jahre 1981 holte das Paradies wieder aus der Vergessenheit.
Auch das Paradies braucht Freunde
Den Hauptanteil an der Rettung des Baden-Badener Schmuckstücks darf sich inzwischen wohl der Freundeskreis des Paradieses auf seine Fahnen schreiben. Der gemeinnützige Verein feiert 2012 sein zehnjähriges Jubiläum. Aufmerksame Beobachter der Geschehnisse hatten sich zusammengefunden, um sich zukünftig ausschließlich der Sanierung, Erhaltung und Pflege des Paradieses zu widmen. Spezieller Beton soll in Zukunft die Umfassungen widerstandsfähiger gegen Witterungseinflüsse machen. Nicht nur die Wasserbecken waren in erschreckend desolatem Zustand, auch die attraktive Grotte mit den Blendarkaden drohte einzustürzen. Hier wurden bereits bei der Erbauung der Anlage schwere Fehler begangen: Weder Dehnungsfugen noch Drainagen konnten auf Temperaturunterschiede und feuchtes Wetter reagieren.
Der Freundeskreis schaffte sich nicht nur ein öffentliches Publikum, wo vorher kaum Interesse für diesen künstlerischen Schatz bestand, sondern vereinte Politik, Denkmalschutz, Landschaftsgärtnerei und Bevölkerung für sein hochgestecktes Ziel. Einen ersten Akzent setzte allerdings keine Sanierungsmaßnahme, sondern eine Brunnenschale nach Laeugers Plänen, die seinerzeit nicht mehr zur Ausführung kam. Die größte Herausforderung war die Wiederherstellung der Grotte, die 2008 beendet werden konnte. Gelder von Stadt und Ämtern, Fördermittel, aber auch viele kleine und große Spenden ermöglichen es neben tatkräftiger privater Unterstützung den umtriebigen Vereinsmitgliedern, dieses nun denkmalgeschützte Kleinod hoffentlich auch zukünftig zu bewahren. Die Arbeiten sind noch lange nicht abgeschlossen.
Entspannung zwischen Wassermurmeln, Blätterrauschen und stummen Schönheiten aus Stein
Die Kombination aus Stein und Grün, dazu das im Sonnenlicht funkelnde Wasserspiel erheben die Anlage des Baden-Badener Paradies zu einer Oase inmitten einer bildschönen Wohnanlage. Die Gärten der Villen sind herrlich bepflanzt und als Teil des Stadtgartens bildet das Paradies Mitte und Höhepunkt gleichermaßen. Hier hält man sich gern eine längere Weile auf und genießt den Ausblick auf Innenstadt und Berge, lauscht dem leisen Plätschern des Wassers oder freut sich an der Harmonie der Farben und Formen.
Die Blendarkaden der Grotte laden ebenso zum Verweilen ein wie das in Stein gemeißelte Gedicht "Der römische Brunnen" von Conrad Ferdinand Meyer. Der Schweizer Dichter war, wie viele seiner Kollegen, auf Italienreise gewesen und hatte über die fontana dei cavalli marini der Villa Borghese ein paar Zeilen verfasst, deren letzte von insgesamt sieben Fassungen nun hier im Paradies in riesigen Lettern eine passende Öffentlichkeit fand. Die steinerne Tafel befindet sich etwa auf halber Höhe der Anlage.
Die Anlage ist ein Ort der Erholung und manch Besucher wird die eine Treppenseite abwärts, die andere wieder aufwärts begehen, um alle Perspektiven zu genießen. Unwillkürlich schweifen die Gedanken: Ob solches Ambiente als Vorbild Grimmscher Märchenszenarien gedient haben könnte? Wenn neben dem satten Grün der niedrigen Umfassung auch die seitwärts angelegten Büsche mit weißen Blüten grüßen, scheint das Paradies tatsächlich zum Greifen nah.
Auf dem Weg zum Gipfel wartet das Paradies
Inzwischen wird das Paradies auf den Internetseiten der Stadt Baden-Baden und in vielfältiger Form beworben. Sogar einen Krimi gibt es, die Leiche wird natürlich im Paradies gefunden. Der Freundeskreis Paradies e.V. Baden-Baden hat über Jahre hinweg erfolgreiche Arbeit geleistet. Unmengen von Bildern und Fotos aus unter schiedlichen Jahrzehnten lassen neben Videoaufnahmen erste Eindrücke dieses kostbaren Schatzes entstehen, den Menschenhand in Kombination mit natürlichen Versatzstücken geprägt hat.
Wer zwischen einer Sightseeingtour in der wunderschönen Innenstadt Baden-Badens, einem ausgiebigen Aufenthalt in den weltberühmten Caracalla-Thermen und einem Abstecher zum Hausberg Merkur mit seiner attraktiven, weil ungewöhnlich langen Seilbahn einen Zwischenstopp im Paradies einlegt, wird dies sicher nicht bereuen. Die Busverbindung findet zwischen all diesen Punkten auf direktem Wege statt.
Wer das Paradies besuchen möchte, erreicht es beispielsweise mit einem schönen Spaziergang aus der Innenstadt. Mit dem eigenen Wagen dagegen können Besucher in der Nähe des Wasserreservoirs Friedrichshöhe oder an der Markgrafenstraße parken, wenn sie den Weg Richtung Merkurbahnhof nehmen. Alternativ halten die Buslinien 204 und 205, die beide aus der Innenstadt Richtung Paradies fahren, in dessen unterem Bereich an der Kurfürstenstraße und im oberen an der Haltestelle Friedrichshöhe, bevor sie direkt zur Merkur-Bergbahn weiterfahren. Ebenso erreicht jedermann das Paradies mit der charmanten Citybahn, die Fahrgäste hier jederzeit gern aus-, allerdings nicht einsteigen lässt.
Helfen Sie mit, ein wertvolles Denkmal vor dem Verfall zu retten - werden Sie Mitglied beim Freundeskreis Paradies e.V. Baden-Baden. Mehr Informationen gibt es auf der Webpräsenz des Freundeskreis.
Informationen zum Urheberecht
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